Einblicke in die dänische Geschäftswelt

Dänemark ist Skandinavien light. Im Unterschied zu Norwegen und Schweden ist es ein unmittelbarer Nachbar Deutschlands und kommt ohne Berge, ausgedehnte Wälder und Elche aus.

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Durch seine starke Verbindung zu Deutschland – seit dem 17. Jahrhundert die einzige Landgrenze – ist es uns kulturell etwas näher, wobei es prägende Werte wie Gleichheit, Solidarität, Transparenz, Optimismus und Vertrauen mit den anderen nordischen Ländern teilt. Manch einer führt diese übrigens auf die Wikinger zurück, die im Frühmittelalter in kleinen Booten übers Meer fuhren und sich aufeinander verlassen können mussten. Insgesamt ist Dänemark zudem sehr homogen, es gibt keine ausgeprägten Landsmannschaften.

Das Verhalten der Dänen im Geschäftsleben wird ebenfalls von den genannten Werten geprägt. Die Hierarchien sind flach, der Chef ist Erster unter Gleichen. Der Wirtschaftsverkehr wird von der high-trust society begünstigt: Selbst Unbekannte bekommen in dieser Gesellschaft einen Vertrauensvorschuss. Mündliche Vereinbarungen sind bindend und schriftliche Verträge fallen eher kurz aus. In einem Land mit rund fünf Millionen Einwohnern spricht sich Unzuverlässigkeit auch schnell herum. Insgesamt senkt die high-trust society so die Transaktionskosten der dänischen Wirtschaft. In einem Land, in dem Solidarität eine bedeutende Rolle spielt, wird auch das Bekenntnis zu Corporate Social Responsibility großgeschrieben. Viele Unternehmen, auch große, werden zudem noch von den Gründerfamilien dominiert. Über Stiftungen fördern die Unternehmen Kunst, Kultur, Wissenschaft und auch die übrige Wirtschaft.

Wirtschaftsstruktur

Kleine Länder haben kleine Unternehmen. Es fehlt die Möglichkeit, auf dem Heimatmarkt in großem Umfang zu wachsen. Ein dänisches Industrieunternehmen ist durchschnittlich groß, wenn es etwa 30 Mitarbeiter beschäftigt. Dass Dänemark sich zu einem großen Teil auf über 400 Inseln verteilt, hat das Wirtschaften nicht einfacher und die Unternehmen nicht größer gemacht. Ein wichtiges Plus dieser kleinen Unternehmen ist ihre Flexibilität. Sie reagieren schnell auf Marktgegebenheiten und Kundenwünsche.

Die Weiterentwicklung der dänischen Wirtschaftsstruktur – das Schrumpfen alter Branchen und das Wachsen neuer Branchen – wird durch den flexiblen Arbeitsmarkt und die Veränderungsbereitschaft der Dänen begünstigt. Durch eine liberale Arbeitsgesetzgebung können sich Unternehmen relativ leicht von Mitarbeitern trennen. Da diese ohnehin gerne neue Herausforderungen annehmen, wandert der Produktionsfaktor Arbeit leicht in Richtung neuer Branchen. Der flexible Arbeitsmarkt ist daher eines der wichtigsten Argumente der dänischen Investitionsförderer: Man kann in Dänemark nicht nur schnell sein Geschäft aufbauen. Man kann es auch schnell wieder zurückfahren, wenn die Geschäfte nicht so laufen, wie sie sollen.

Wirtschaftsräume

Grob unterscheidet man in Dänemark zwischen zwei wichtigen Wirtschaftsräumen. Zum einen ist das der dicht besiedelte Großraum Kopenhagen, in dem etwa ein Drittel aller Dänen lebt. Hier finden sich als wichtigste Unternehmen A. P. Møller Mærsk und Novo Nordisk. Der andere Wirtschaftsraum ist das dünn besiedelte Jütland, das vom Logistikstandort Pattburg bis zum Elektronikstandort Aalborg reicht. Etwa in der Mitte liegt die zweitgrößte Stadt Dänemarks, das dynamische Aarhus.
Jütland ist so etwas wie das Schwabenland Dänemarks. Den Jütländern wird nachgesagt, dass sie bodenständig, fleißig, sparsam und erfinderisch sind. Einige innovative Spitzenfirmen aus Jütland belegen dies. Grundfos, das mit fast 20.000 Mitarbeitern Weltmarkführer bei Pumpen ist, und Danfoss, das mit über 20.000 Mitarbeitern Ausrüstungen für das Energiemanagement herstellt und jährlich zehn Prozent Produktivitätswachstum schafft, sind wichtige Beispiele.

Branchenstruktur

Die Branchenstruktur wird beeinflusst von den natürlichen Gegebenheiten. In Dänemark spielt das Wasser eine große Rolle. Kein Ort ist weiter als 50 Kilometer vom Meer entfernt. Deshalb haben die Seefahrt und der Seehandel immer eine bedeutende Stellung und gute Entwicklungsmöglichkeiten gehabt. Im Ergebnis ist die größte Containerreederei der Welt, A. P. Møller Mærsk, in Kopenhagen beheimatet.

In einem Land mit viel Küste und Meer ist es auch immer windig. Deswegen haben die Dänen früh angefangen, sich mit Windenergie in ihrer modernen Form zu beschäftigen. Das jütländische Unternehmen Vestas ist Weltmarktführer bei Windenergieanlagen. Die Windenergiesparte von Siemens, die aus einer Akquisition hervorgegangen ist, ist ebenfalls in Jütland beheimatet. Mit ihr ist Siemens (heute Siemens-Gamesa) Weltmarktführer bei Off-Shore- Windanlagen. Im ländlich geprägten Jütland war von jeher auch die Aufzucht und Schlachtung von Schweinen ein wichtiges Geschäftsfeld. Einer der größten Schlachtereikonzerne der Welt, Danish Crown, ist in der Folge entstanden. Da Insulin lange Zeit aus den Bauchspeicheldrüsen von Schweinen hergestellt wurde, hat Dänemark mit Novo Nordisk einen bedeutenden Hersteller von Diabetes-Produkten hervorgebracht. Eine weitere starke Branche ist um die Bereiche Energie und Klimatechnologie herum entstanden. Dazu hat sicher beigetragen, dass sich Dänemark von Anfang an gegen die Atomenergie entschieden hat und mit die ehrgeizigsten Klimaziele verfolgt.

Kopenhagen will als erste Hauptstadt der Welt bis 2025 CO2-neutral werden. Das setzt kreative Energien frei, mit denen die entsprechenden Firmen auch international erfolgreich sind. Dänemark ist daher ein Testlabor für die deutsche Energiewende. Ein Beispiel hierfür ist die Ingenieurgesellschaft Rambøll, die die 2025-Strategie für Kopenhagen erarbeitet hat. Sie ist mit über 16.000 Mitarbeitern die größte Ingenieurgesellschaft Nordeuropas und auch in Deutschland, Nordamerika und den arabischen Ländern aktiv.

Wichtig ist auch die Kreativbranche. Dänisches Design und dänische Architektur sind weltweit erfolgreich. Dementsprechend gibt es große Architekturfirmen, zum Beispiel Henning Larsen Architects, sowie eine Reihe von Unternehmen, die sich auf Design und Designprodukte spezialisiert haben bzw. bei denen Design ein wichtiger Faktor ist. Zu nennen sind Designit (Designberatung), Stelton, Normann Copenhagen und Eva Solo (Gebrauchsgegenstände), Fritz Hansen und Montana (Möbel).

Preisniveau

Das Preisniveau in Dänemark liegt deutlich – etwa 40 Prozent – über dem in Deutschland. Vor allem arbeitsintensive Dienstleistungen sind teuer. Das liegt unter anderem an einer deutlich niedrigeren Lohnspreizung: Geringqualifizierte Arbeit wird sehr viel besser entlohnt, am oberen Ende der Skala sind die Gehälter oft niedriger.

Wohlfahrtsstaat 

Während Schweden den Wohlfahrtsstaat erfunden und in den 90er Jahren zurückgestutzt hat, hat Dänemark dem Nachbarn immer nachgeeifert und diesen in gewisser Weise links überholt. Dänemark verfügt heute über einen der größten öffentlichen Sektoren in der westlichen Welt. Während in Deutschland jeder achtzehnte Bürger beim öffentlichen Sektor arbeitet, ist es in Dänemark jeder achte.
Dass ein starker Staat wichtig ist, ist dabei Konsens zwischen allen maßgeblichen Parteien. Trotzdem werden die Nachteile immer wieder diskutiert. Der große öffentliche Sektor wird zum Beispiel von den Wirtschaftsverbänden regelmäßig als eine der großen Herausforderungen Dänemarks wie auch als Hemmnis für das Produktivitäts- und Wirtschaftswachstum genannt.

Für die Finanzierung des öffentlichen Sektors muss eine Menge Steuergeld fließen. Dementsprechend sind die dänischen Steuersätze hoch. Das gilt sowohl für direkte Steuern, wie die Einkommenssteuer, als auch für indirekte Steuern, wie die Mehrwertsteuer in Höhe von 25 Prozent, und Sondersteuern, wie die 150-prozentige Zulassungssteuer für Autos. Ein Mittelklassewagen (Mercedes C-Klasse, Audi A4, BMW 3er etc.) mit mittlerer Ausstattung und Motorisierung kostet in Dänemark etwa 80.000 Euro.

Wirtschaftsbeziehungen mit Deutschland 

Die Beziehungen zu Deutschland waren für Dänemark immer etwas Besonderes. Nicht zuletzt liegt das daran, dass ein Teil des heutigen Deutschlands lange zu Dänemark gehört hat. Dänemark reichte zu Anfang des 19. Jahrhunderts bis nach Hamburg-Altona. (Siehe dazu Wissenwertes.) Viele Dänen sprechen Deutsch, noch mehr verstehen es zumindest gut und haben deswegen leichtes Spiel auf den deutschsprachigen Märkten.
Während Deutschland seit 2002 teils deutliche Handelsbilanzüberschüsse mit Dänemark erzielen konnte, haben die dänischen Exporteure auf dem deutschen Markt in den letzten Jahren zunehmenden Erfolg. Es ist vor allem die Energiewende, die den dänischen Unternehmen Geschäfte bringt. Windturbinen sind an erster Stelle zu nennen, aber Dänemark hat auch viele Produkte zur Steigerung der Energieeffizienz und die Entwicklung von smart grids zu bieten.

Probleme bereitet oft die geringe Unternehmensgröße. Sie macht es schwer, zum Beispiel Zulieferer größerer deutscher Unternehmen zu werden, da diese regelmäßig Produktionsvolumina fordern, die ein durchschnittliches dänisches Unternehmen nicht leisten kann. Die Basis des Geschäfts bilden kleine und flexible Lieferanten deutscher Unternehmen in der Nahrungsmittel-, der Möbel- und der Metallindustrie.